Seit ein paar Tagen habe ich ein höchst beunruhigendes Problem mit meinen Nachbarn. Sie schauen komisch. Aus gegebenem Anlass stelle ich mir die ernsthafte Frage, ob sie überhaupt noch neben mir wohnen möchten. Schließlich bin ich nicht einmal Nationalspieler und die Wurzeln meines Familienstammbaums stecken teilweise in Gegenden, die meine Qualifikation als guter, deutscher Nachbar hoch ausrufezeichend in Frage stellen könnten.
Vielleicht sollte ich heute wenigstens dankbar sein, dass etwaige Paarungsversuche meiner Vorfahren mit Menschen südlicher Kontinente entweder gescheitert oder erst gar nicht unternommen worden sind und daher zumindest mein körperlicher Außenputz in Rottaler Breiten als farblich unauffällig einzustufen ist. Von sommerlicher Sonnenbestrahlung verdunkelte Hautregionen werden freilich als solche öffentlich registriert und können somit als „vorübergehend“ gelten.
Als anerkanntes Siedlungsmitglied kleide ich mich im Garten ordentlich, halte mich an die gesetzlichen Lärmschutzverordnungen und lösche bei nächtlichem Beischlaf trotz zugezogener Vorhänge Lichtquellen jeder Art. Durch wöchentliches Persilweißeln der eigenen Familienfassade vermeide ich selbst anfängliche Verdachtsmomente – nicht zuletzt bezüglich meiner Herkunft. Ebenso stetiges wie freundliches Grüßen erhöhen die Chancen meiner Nachbarschaftstauglichkeit, selbstverständlich in akzentfreiem Heimatdialekt.
Ich entfreunde mich auf meinem Facebook-Account von Gesichtsbuch-Mitgliedern mit migrationsverdächtigen Vor- und Nachnamen, eigene Familienmitglieder nicht ausgeschlossen.
Vielleicht könnte ich aber auf die meisten Maßnahmen verzichten, wenn einfach nur jene auswanderten, denen ich als Nachbar nicht geheuer bin. Schließlich gibt es auch immer eine Alternative für Deutschland.